Bericht: Strafprozess gegen Antifaschistin in Kandel – Kriminalisierungsversuch abgewehrt!

Am 21. Januar 2020 fand am Amtsgericht Kandel erneut ein Prozess gegen eine aktive Antifaschistin statt. Ihr wurde vorgeworfen, sich am 24. März 2018 in Kandel den kämpferischen Antifa-Protesten gegen den rechten Großaufmarsch angeschlossen zu haben und dort an einer Böllerwurf-Aktion beteiligt gewesen zu sein. Die Anklage lautete Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz, versuchte gefährliche Körperverletzung, Landfriedensbruch und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Bei einer Verurteilung nach diesen Anklagepunkten drohte ihr aufgrund einschlägiger Vorstrafen eine Haftstrafe ohne Bewährung – doch daraus sollte heute nichts werden.

Um die 30 AntifaschistInnen fanden sich am frühen Morgen bei Kaffee und Brezeln zur Unterstützung der Angeklagten ein, viele von ihnen trugen zum Ausdruck ihrer Solidarität T-Shirts und Pullover mit antifaschistischem Aufdruck und klarer Message.

Über mehrere Stunden sollte sich die Beweisaufnahme vor Gericht ziehen, doch trotz der Aussagen von 6 Bullen und einem Video von den Böllerwürfen, das mehrmals Bild für Bild in Augenschein genommen wurde, konnten keine handfesten Beweise zu Tage gebracht werden. Offenkundig wurde lediglich, das hinlänglich Bekannte:

Die Anklage gegen die Antifaschistin basiert komplett auf konstruierten Vorwürfen und ist ein Angriff auf selbstbestimmten antifaschistischen Protest und Widerstand. Begreifen können wir dies nur als Teil einer Kriminalisierungsstrategie und dem Verfolgungseifer seitens Polizei und Staatsanwaltschaft gegen die gesamte linke Bewegung.

Nach einigem hin und her, wobei auch noch das von den G20-Verfahren bekannte und seitens der Repressionsbehörden beliebte Konstrukt der „psychischen Beihilfe“ diskutiert wurde, ist das Verfahren am Ende eingestellt worden. Durch die politische Prozessführung, die konsequente Aussageverweigerung vor Gericht und die Einbettung des Verfahrens in unsere Kampagnenarbeit haben wir es geschaft den Angriff auf unsere Bewegung ins Leere laufen zu lassen.

Nachfolgend dokumentieren wir die Erklärung der Angeklagten:

Prozesserklärung

09. September 2000 bis 25. April 2007: Der „Nationalsozialistische Untergrund“, kurz NSU, ermordet mindestens 10 Menschen. Zuvor und während dieses Zeitraums verübten die Nazis mehrere Sprengstoffanschläge und ein Nagelbombenattentat. Das Alles geschah unter den Augen des Verfassungsschutzes und unter Mithilfe seiner V-Leute.

Am 22. Juli 2011 ermordet der norwegische Faschist Anders Breivik insgesamt 77 Menschen, indem er in Oslo eine Autobombe zündet und anschließend auf einer nahe gelegenen Insel das Feriencamp einer sozialdemokratischen Jugendorganisation niedermetzelt. Zuvor hatte er auf 1500 Seiten sein rechtes Motiv für das Attentat dargelegt.

Am 12. August 2017 rast ein 20-jähriger Nazi im Anschluss an eine der größten rechten Demonstrationen in der Geschichte der USA bewusst mit seinem Auto in eine Gruppe von Antifaschistinnen und Antifaschisten. Er tötet dabei eine 32-jährige Frau und verletzt 19 weitere Menschen.

Am 15. März 2019 erschießt der Faschist Brenton Tarrant in Christchurch in Neuseeland insgesamt 51 Menschen. Er feuert dabei in zwei Moscheen, in denen sich Muslime zum Gebet versammelt hatten. Er überträgt seine Tat live ins Internet und will mit einer Zitat „großen, bis dahin nicht in Neuseeland vorgekommenen Gewalttat zeigen, dass es nirgendwo in der westlichen Welt sicher für Einwanderer ist.“Zitatende

Auch er verfasst ein rechtes Pamphlet, in dem er sich unter anderem auf Anders Breivik bezieht und stellt darin seine faschistische Gesinnung dar. Sein jüngstes Opfer ist drei Jahre alt.

Am 02. Juni 2019 wird der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübke auf seiner Terasse mit einem Kopfschuss von dem Nazi Stephan Ernst ermordet. Lübke hatte sich zuvor für die Aufnahme von geflüchteten Menschen eingesetzt und sich öffentlich rechten Anfeindungen entgegengestellt. Der ehemalige NPDler und jetzige AfD-Unterstützer hatte in den 30 Jahren zuvor bereits einen Menschen getötet und mindestens einen Messerangriff, einen Brandanschlag und ein Bombenattentat verübt.

9. Oktober 2019 in Halle: Der 27-jährige Faschist Stephan Balliet erschießt auf offener Straße zwei Menschen, nachdem er zuvor erfolglos versucht hatte, in eine zahlreich besuchte Synagoge einzudringen und ein Massaker anzurichten. Auch er übertrug seine Tat live im Internet, leugnet in dem Video den Holocaust, äußert sich antifeministisch und sagt, der „Jude“ sei Ursache aller Probleme.

Hiermit sind sicherlich nur wenige der offensichtlichsten Beispiele faschistischen Terrors der letzten Jahre genannt, neben den hunderten Brandanschlägen, die in den letzten Jahren gegen Geflüchtetenunterkünfte verübt wurden. Und sie verdeutlichen doch eines: Die Gefahr, die von Faschisten ausgeht, die Bereitschaft von ihnen zu morden und auch deren tatsächliche Umsetzung.

Was anderes bleibt uns übrig, als uns Nazis und Rechten dort, wo sie auftreten, entgegenzustellen und daran zu hindern, ihre Ideologie in Taten umzusetzen?

Der Mord einer jungen Frau Ende 2017 wurde von zahlreichen Rechten zum Anlass genommen, zu Tausenden hier in Kandel aufzumarschieren. Diese Aufmärsche hatten sowohl zahlenmäßig, als auch hinsichtlich der verschiedenen rechten Spektren, die sich auf Kandels Straßen vereinigten, eine neue Qualität. Nur wenige Monate später erlebten wir Ähnliches in Chemnitz. Hier in Kandel, wie auch in Chemnitz waren es unter anderem Faschisten wie Stephan Ernst, die marodierend durch die Straßen zogen. Es sind unter anderem diese rechten Aufmärsche, auf denen sich die Nazis vernetzen und radikalisieren, auf denen sie propagieren, was später in die Tat umgesetzt wird.

Umso wichtiger war und ist es, dass diese Ereignisse und das Auftreten der Faschisten nicht unbeantwortet blieben und sich innerhalb kürzester Zeit antifaschistischer Protest formierte.

Was folgte, waren Wochen und Monate mit wiederkehrenden Großaufmärschen der Rechten.

Doch nicht nur das: Die Polizei stellte in Kandel immer wieder unter Beweis, dass ihr die Kriminalisierung antifaschistischen Protests nicht nur eine Herzensangelegenheit ist, sondern auch System hat: Angriffe gegen Antifaschistinnen und Antifaschisten, sei es durch prügelnde Polizisten oder Polizeihunde, bis hin zur Unterbindung der Proteste, gehörten zur Tagesordnung.

Was uns aber auch nicht wirklich verwundern braucht: Ob NSU, Hannibal-Netzwerk, Nordkreuz, NSU 2.0, Ku-Klux-Klan und wie sie alle heißen: Das bewusste Gewährenlassen, Verstrickungen und Überschneidungen von Polizei und staatlichen Behörden mit rechten Strukturen zeigen uns nur einmal mehr, dass wir im Kampf gegen Rechts von ihnen nichts erwarten brauchen.

Auch das aktuelle Beispiel zweier Nazis aus Neukölln, die unter den Augen der Berliner Ermittlungsbehörden Brandanschläge gegen Linke verübten, Wohnorte ausspähten und eine Feindesliste führten, wohlgemerkt während sie überwacht wurden, lässt den Schluss zu, dass diese Taten nicht verhindert werden sollen.

Wir als Antifaschistinnen und Antifaschisten, wir als Gesellschaft haben eine Verantwortung.

Die Verantwortung als Menschen, die aus Geschichte lernen, dafür zu sorgen, dass sie sich nicht wiederholt.

Dieser Verantwortung werden wir trotz aller Kriminalisierung auch in Zukunft nachkommen!

Pressemappe veröffentlicht

Anlässlich der Gerichtsverhandlung am 21. Januar 2020 haben wir eine Übersicht über die aus unserer Sicht relevanten Presseberichterstattung zu den Protesten vom 24. März 2018, der Repression rund um das Demonstrationsgeschehen in und um Kandel, sowie einigen Hintergrundinformation zustammengestellt. Die Pressemappe findet ihr bei den anderen Materialien unter dem Reiter Mitmachen.

Aufruf zur solidarischen Prozessbegleitung am 21. Januar 2020

Angeklagt ist eine Antifaschistin vor dem Amtsgericht Kandel. Ihr wird vorgeworfen sich am 24. März 2018 an den kämpferischen Antifa-Protesten gegen den Naziauf­marsch in Kandel beteiligt zu haben und soll dabei verschiedene Straftaten wie „Landfriedensbruch“ oder „Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz“ begangen haben. Bereits im Juli letzten Jahres wurde ein junger Antifaschist im gleichen Zusammenhang vom Jugendschöffengericht in Landau zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Obwohl dieser vorm Jugendgericht angeklagt war forderte damals die Staatsanwaltschaft schon eine Haftstrafe, um ein Exempel zu statuieren.

Der Prozess beginnt um 9:30 Uhr. Wir treffen uns bereits um 8:45 Uhr beim Bäcker am Marktplatz Kandel zum gemeinsamen Frühstück.

Zeigt euch solidarisch! Kommt zu der Gerichtsverhandlung und macht die Notwendigkeit von selbstbestimmtem Antifaschismus deutlich!

Solidarität auf der Straße und vor Gericht!

Bericht: 4. und letzter Prozesstag wegen Angriff auf antifaschistische Zugfahrt am 7.4.18

Am 11.10.19 und damit dem 4. Prozesstag fand der letzte Tag des Verfahren gegen einen Antifaschisten statt, der stellvertretend, für eine kollektive antifaschistische Anreise am 7.4.18 angeklagt war. Diese wurde wie bereits im Artikel vom 3. September erwähnt, von der Bundespolizei festgehalten und brutal angegriffen.

Zur Prozessunterstützung fanden sich rund 20 Unterstützer*innen ein, um dem Angeklagten solidarisch den Rücken zu stärken. Wie bei allen Prozessbegleitungen kam es auch hier wieder zu übertriebenen Einlasskontrollen. Personen wurde in die Frisur gefasst, Tabakbeutel durchwühlt, sowie die Mitnahme von Wasserflaschen verwehrt.

Das am ersten Prozesstag geforderte YouTube-Video war nun endlich gesichert und konnte vom Gericht betrachtet werden. Genau wie auf den, am vorherigen Prozesstag bereits gesichteten Polizeivideos war klar ersichtlich, dass die dem Angeklagten vorgeworfenen Taten nicht stattgefunden haben.

So sprachen nunmehr 3 Beweisvideos für die Unschuld des Angeklagten. Dies wurde von den Aussagen eines Bundespolizisten abgerundet, der wie zwei weitere Polizeizeugen den Behauptungen des angeblich Geschädigten massiv widersprachen. Niemand der am Einsatz Beteiligten hatte den Antifaschisten bei der Tat beobachtet, geschweige den dessen Widerstand. Die Stimmung der Anreisenden in der Bahn, zum Zeitpunkt des angeblichen Widerstands war absolut „friedlich“, so die Aussage.

Lediglich der Oberstaatsanwalt war im Gerichtssaal noch von der klaren Schuld des Angeklagten überzeugt. Der Richter hingegen wirkte von Prozess und Präsenz des Oberstaatsanwaltes überfordert, ordnete sich ihm, wie schon am 3. Prozesstag klar unter und übernahm dessen Aussagen. So hieß es für den Antifaschisten schlussendlich Geldauflage von 1200 Euro, statt gerechtfertigtem Freispruch.

Der Kriminalisierungsversuch mit geforderten mindestens 90 Tagessätzen ist klar gescheitert. Deutlich zu erkennen ist hier dennoch einmal mehr mit welchem Eifer die Staatsanwaltschaft das deutsche Rechtssystem aushebelt und manipuliert, wenn es darum geht, ausgemachte politische Feinde zu kriminalisieren, zu schädigen und sich zum Handlanger faschistischer Kräfte zu machen.

Prozess-Bericht vom 10.9. in Kandel

Bereits am 10.9. fand der nächste Prozess gegen einen Genossen statt, den wir als Kampagne begleitet haben.
Angeklagt war der Antifaschist, wegen versuchter Gefangenenbefreiung, sowie Widerstand gegen die Staatsgewalt. Die Vorwürfe waren- wie bei der anderen Verhandlung auch- im Kontext der antifaschistischen Anreise zu den Prostesten nach Kandel, am 7.4.18, welche in Wörth von der Bundespolizei angegriffen wurde.

Morgen gegen 8 Uhr trafen wir uns mit etwa 20 Menschen vor dem Amtsgericht und es gab Brenzeln und Kaffee.
Nach erneut peniblen Kontrollen begann der Prozess um 9Uhr.
Der angeklagte Genosse verlas eine politischer Erklärung und verweigerte sonst jegliche Aussage zu seiner Person oder zur Sache. Die Erklärung ist weiter unten angehängt.
Der selbe Richter, die selben Justiz-Bullen, und ein und der selbe Bullenzeuge waren vor Ort. Nur war diesmal der Oberstaatsanwalt höchstpersönlich anwesend.
Der Koblenzer Bulle versuchte mit allerlei skurrilsten Theorien die Bulleneinsatz zu rechtfertigen, unter Anderem erklärte er man hätte die Antifas vor möglichen Angriffen auf den Zug schützen wollen (und dafür in sie reinprügeln müssen?).
Es waren keine anderen Zeugen geladen worden und in den Akten zeigten sich einige Schlampereien des zuständigen Bearbeiters.
In den Akten befand sich lediglich ein Video, dass keinerlei Taten oder Ähnliches zeigte.
Von einer angeblichen Gefangenenbefreiung, ohne dass es einen Gefangenen gegeben hatte, wusste sowieso niemand etwas.
Letztlich fiel es doch fast allen schwer, diesen kläglichen Versuch der Repressionsorgane die damalige Bullengewalt zu rechtfertigen, ernst zu nehmen.
Auf Vorschlag des Staatsanwaltschaft wurde letztlich das Verfahren gegen 40 Arbeitsstunden eingestellt. Aus welchem Grund diese Arbeitsstunden zu leisten seien war völlig unklar und auch bei Verhandlung der Anzahl der Arbeitsstunden erinnerte eher an eine Flohmarktsdiskussion.

Am Nachmittag begleiteten noch einige FreundInnen und GenossInnen einen Antifaschisten zu einem etwa 1minütigen Schiebetermin, der nur stattfand um stattgefunden zu haben, damit sie eine Frist zur Fortsetzung der Verhandlung am 1.Oktober 2019.

Auf der einen Seite zeigte der Tag die Schwierigkeiten mit der sich das ländliche Amtsgericht Kandels zu kämpfen hat, um Schauprozesse gegen die antifaschistische Bewegung zu führen.
Auf der anderen Seite müssen wir diese Angriffe weiterhin ernst nehmen, zusammenstehen und keinen im Regen stehen lassen.
Weitere Prozesse werden folgen und unsere Soliarbeit geht weiter.

Hier die vor Gericht verlesene Erklärung:

Liebe AntifaschistInnen, liebe GenossInnen.
Danke, dass ihr euch heute Zeit genommen habt und hier diesen Prozess begleitet.
Ich habe an paar Zeilen vorbereitet, die ich heute mit euch teilen möchte.
Heute sitze ich auf der Anklagebank, gleich heute mittag der nächste Antifaschist.
Es kann jede und jeden von uns treffen.

Ende Dezember tötete ein junger Mann seine Ex-Freundin in Kandel. Diese brutale Gewalttat wurde direkt von der politischen Rechten genutzt um sie zu pauschalisieren.
Warum? Weil der Täter einen Migrationshintergrund hat.
Dass patriarchale Gewalt durchschnittlich in Deutschland fast täglich das Leben einer Frau kostet, interessierte und empört kaum jemanden.
Dass Frauen weiterhin etwa 21% weniger verdienen und sexistische Sprüche und sexualisierte Gewalt schon lange fest in der Gesellschaft verankert sind, war genauso wenig Thema.
Stattdessen wurden von den Rechten vor allem zwei Themen in die öffentliche Diskussion getragen:

  1. Alle Migranten, allen voran Geflüchtete, seien frauenfeindlich und
  2. Alle Migranten, allen voran Geflüchtete seien kriminell und müssten abgeschoben werden.

In Kandel wuchsen rechte Bündnisdemonstrationen und nahmen eine gefährliche Dynamik an. So versammelten sich auf der Straße neben AfD Funktionären wie Christina Baum, rechte Hooligans verschiedener Fußballvereine, so genannte Reichsbürger , Aktivisten der faschistischen NPD und der faschistischen „Identitären Bewegung“.
In dem beschaulichen Örtchen marschierten nun regelmäßig teilweise mehrere Tausend der extremen Rechten auf.
Und das alles in einer Zeit, in der in unter anderem Chemnitz pogromartige Hetzjagden auf MigrantInnen stattfanden und sich mit Pegida an anderen Orten Deutschlands ein ähnlicher Versuch von rechts die Straßen erkämpft hat.

Eine Situation also, die die Notwendigkeit mit sich bringt, diesem rechte Spuk spürbaren Widerstand entgegen zu bringen und ihn unmöglich zu machen!

Für die Polizei war vor allem der Gegenprotest eine Gefahr- getreu dem Motto- ohne Gegenproteste gäbe es ja keine Probleme.
Von Anfang an wurde versucht unsere antifaschistischen Gegenproteste klein zu halten, mit massiven Polizeiaufgeboten umlagert und wiederholt massiv körperlich angegriffen – was zu einigen, teils schwer verletzten in unseren Reihen führte.
Die Landesregierung Rheinland-Pfalz versuchte irgendwann doch, das Thema „Nazis in Kandel“ anzugehen und versuchte sich selbst als die aktiven NazigegnerInnen darzustellen und dabei gleichzeitig selbstbestimmte Proteste zu delegitimieren.
Dabei möchte ich deutlich sagen, es waren weder die bezahlten Berufspolitiker, noch die Polizei die den Rechten und deren Hass-Propaganda etwas entgegensetzten!

Ich werde mich nicht zu den konkreten Vorwürfen äußern, warum denn auch?
Ich möchte aber dennoch ein paar Worte zu der Situation an diesem Tag verlieren:

Ja, wir sind sind zusammen mit vielen unterschiedlichen Menschen zu den Protesten nach Kandel gefahren und wollten selbstbestimmt unsere Proteste gestalten.
Als wir in Wörth gestoppt wurden, zeigte die Polizei, die sich ja immer als „Freund und Helfer“ ausgibt, dass sie in Wirklichkeit keine „objektive Exekutive“ ist – sie ist politischer Akteur.
Alle wussten: Wir DemonstrantInnen wollten 6 Minuten später in Kandel aussteigen und dort unseren Protest gegen Rechts auf die Straße tragen. Die Polizei wartete in Kandel ja auch schon mit vielen Einsatzkräften auf uns.
Laut Polizei schritt sie wegen einem angeblichen Raub in Karlsruhe ein. Doch dort war bereits angeblicher Tatverdächtiger festgenommen worden und mittlerweile ist auch das Verfahren gegen Ihn eingestellt.

Den einzigen Grund, den die Polizei an diesem Tag hatte: Sie wollten ihre Macht demonstrieren, uns GegendemonstrantInnen einschüchtern, jeden Zentimeter- wirklich jeden- kontrollieren. Es ging ganz konkret Folgendes durchzusetzen: Wenn die Polizei etwas sagt oder etwas macht – egal was es ist und wie legitim es ist- sie wird solange in uns reinprügeln, bis sie es durchsetzt.
Die Videos sprechen für sich.

Doch auch das ist kein Zufall:
Was macht die Bundespolizei denn sonst, wenn sie nicht gerade Demonstrationen oder Fußballfans unter Kontrolle hält:
An jedem größeren Bahnhof und an jedem Flughafen stehen sie da und machen Ausschau nach Menschen mit nicht weißer Hautfarbe, nach Menschen, die nicht ins Bild passen.
Mittlerweile trat sogar ein Bundespolizist bei einer der rechten Demos hier in der Gegend als Redner auf, und selbst die Gewerkschaft der Polizei bestätigt, dass immer mehr Bundespolizisten sind den Rechten anbiedern.

Letztlich sind die Polizeibeamten auf diejenigen, die das umsetzen, was AfD und co fordern:
Sie kontrollieren Menschen nach ihrem Aussehen und ihrer Herkunft und schicken Menschen, die nicht den richtigen Pass haben, zurück in Länder, in denen unter anderem deutsche Waffen, deutsches Geld und deutsche, wirtschaftliche Expansionspolitik zu Krieg, Elend und skrupellosen „Flüchtlings-Deals“ führen.

Doch es gibt nicht nur diese Seite:
Es ist die organisierte antifaschistische Bewegung und es sind die vielen verschiedenen Menschen die selbstbestimmt zu den Protesten kommen und den Rechten ihre Aufmärsche vermiesen.
Es gibt trotz aller Repression und allen Schikanen weiterhin viele tolle, mutige und aufrichtige Menschen, die ihre „Freizeit“ nutzen um sich für ein solidarisches Miteinander einzusetzen. Menschen die handeln und eingreifen, bevor es zu spät ist!

Diese heutige Gerichtsverhandlung hier in Kandel ist nur eine von vielen gegen aktive AntifaschistInnen. Doch ihr Zweck ist es aber eben nicht, wie immer gesagt wird, hier eine scheinbar neutrale Instanz über Recht und Unrecht zu sein.
Die Justiz ist genauso eine Instanz der herrschenden Klasse, die Machtverhältnisse unangetastet zu lassen und wie heute nach Polizeigewalt, diese mit Verfahren gegen die Betroffenen eben dieser Polizeigewalt, zu rechtfertigen.
Um nichts mehr und um nichts weniger geht es hier.

Wir lassen uns nicht einschüchtern, weder von den Knüppeln der Polizei, noch von den Schikanen bei unseren Prozessen!
Solidarität ist unsere Stärke!

Kandel: Schikanen bei Prozessbegleitung eines Antifaschisten

Am heutigen Dienstag, den 3. September fand ein Prozess gegen einen Antifaschisten vor dem Amtsgericht im rheinland-pfälzischen Kandel statt.

Heute sollte ein Aktivist stellvertretend, für eine kollektive antifaschistische Anreise am 7.4.18, abgeurteilt werden. Am 7.4.18 wurde ein Zug voller AntifaschistInnen von der Polizei schon eine Haltestelle vor Kandel – in Wörth – gestoppt und angegriffen. Die entstandene Videodokumentation der rohen Polizeigewalt, soll nun mit der Kriminalisierung der antifaschistischen Proteste gerechtfertigt werden.

Im Rahmen der Kampagne „Niemand bleibt im Regen steh‘n“ riefen wir also zu einer solidarischen Prozessbeobachtung und einer Kundgebung vor dem Gericht auf. Kurzfristig wurde die Kundgebung auf einen menschenleeren Parkplatz in der Kleinstadt verlegt, und von fast genauso vielen Beamten der Bereitschafts- und Zivilpolizei begleitet, wie DemonstrantInnen da waren.

Diese versuchte Demütigung wurde nicht angenommen, stattdessen ein gemeinsames Solidaritätsfoto vor dem Gerichtsgebäude gemacht.

Die anschließenden peniblen Körperkontrollen und das Verteilen von „Sitzkarten“ für ZuschauerInnen zeigten den politisch-repressiven Schikanen gegen die Solidarität unter AntifaschistInnen deutlich.

Der Prozess an sich zeigte ein anderes Bild:

Nach Verlesung der Anklageschrift, mit u.a. dem neuen „Bullenschupsparagraphen“ §114 StGB, verlas der Angeklagte eine politische Erklärung, die wir weiter unten dokumentieren. Der volle Sitzungssaal beantwortet das mit lautem Applaus und gemeinsam angestimmten Parolen.

Lediglich ein Hobby-Fußballer der Bundespolizei Koblenz war als Zeuge geladen, konnte allerdings wenig Konkretes sagen. Weder die vorhandenen Polizeivideos, noch die Youtube-Videos des Vorfalles, waren in den Akten zu finden. Nach Unterbrechung und längeren Diskussionen wurde das Verfahren weiter vertagt, um unter anderem dem jungen Staatsanwalt die Zeit zu geben, sich Rücksprechen zu können, ob er einer Einstellung des Verfahrens zustimmen könne.

Gleich heute in einer Woche findet am morgen ein weiterer Prozess gegen einen Antifaschisten, wegen ein und der selben Anreise zu den Gegenprotesten statt. Für den selben Tag wurde auf 13 Uhr ein kurzer „Spring-Prozesstag“ dieses Verfahrens datiert. Eine gute Gelegenheit beide Angeklagten bei diesen unschönen Terminen zu unterstützen und ein politisches Zeichen der Solidarität zu setzen. Um den Prozess am morgen pünktlich mit zu begleiten und eventuelle Kontrollen über sich ergehen lassen zu müssen, treffen wir uns am: Dienstag, den 10. September 2019 um 8:00 Uhr vor dem Amtsgericht Kandel, Landauerstr. 19 76870 Kandel.

Hier die Erklärung des Angeklagten vor Gericht:



Heute stehe ich hier stellvertretend für 150 AntifaschistInnen, die sich am 07. April 2018 an den Protesten gegen den rechten Aufmarsch in Kandel beteiligen wollten und deren Anreise in Wörth endete.

Doch von Anfang an. Seit Beginn 2018 marschierten in der Rheinland-pfälzischen Kleinstadt Kandel, in Wörth und Landau insgesamt fast 30 Mal RassistInnen aus verschiedenen Spektren der Rechten auf. Anfänglich angeführt von der AfD Landtagsabgeordneten Christina Baum, zogen teilweise mehrere tausend Rechte – von NPD und Identitären, über Reichsbürger bis hin zu Fußball-Hooligans, durch die Straßen und versuchten bundesweit damit Stimmung zu machen. Zum Vorwand genommen wurde der Mord an einer 15-Jährigen durch ihren Ex-Freund. Skandalisiert wurde dabei jedoch nicht der Mord an einer jungen Frau durch ihren Ex-Partner, sondern der Migrationshintergrund des Täters. Ziel der überwiegend von Männern besuchten und organisierten rechten Veranstaltungen war es, sich in patriarchaler Manier als Frauenbeschützer darzustellen. Von Anfang an stellten sie dabei ihren Rassismus offen zur Schau und zeigten sich als plumpe Ausländerfeinde.

Bei den ersten Aufmärschen waren die Rechten in der Überzahl, attackierten GegendemonstrantInnen, während Verantwortliche von Stadt und Behörden durch Wegschauen, Kleinreden und Totschweigen die Rechten durch die Straßen hofierten und die Polizei diesen Kurs auf der Straße aktiv durchsetzte.
Vor Ort entwickelten sich zunehmend breitere Proteste gegen Rechts, die vor allem durch die Unterstützung von angereisten AntifaschistInnen rasch Aufwind bekamen. Die entschlossenen Proteste der aktiven AntifaschistInnen wurden von Anfang an politisch diskreditiert, von der Polizei vor Ort mit gewalttätigen Übergriffen überzogen und sollen jetzt vor Gericht weiter bestraft werden.

Einen der Höhepunkte der polizeilichen Gewalt nimmt dabei der besagte 7. April 2018 ein. Die Bundespolizei, griff damals in Wörth einen vollen Zug mit anreisenden AntifaschistInnen mit Faustschlägen und Tritten an, warf Personen im Türbereich auf den Bahnsteig und fesselte diese grundlos mit Handschellen. Der Einsatz lässt sich nur als das beschreiben was er ist: ein bewusst gewählter Angriff auf die linke Bewegung.
Der notwendige und legitime antifaschistische Protest und Widerstand gegen den rechten Aufmarsch hier in Kandel wurde an dieser Stelle durch den eskalierten Polizeieinsatz verhindert.

Die mir vorgeworfene Straftat der Körperverletzung, sowie des Widerstandes ist mehr als offensichtlich Teil einer Repressionsstrategie und öffnet unverhältnismäßigem, willkürlichem, gewaltvollem und auch unsanktioniertem Vorgehen der Polizei Tür und Tor.

Polizei und Staatsanwaltschaft sind bei Protesten politische Akteure. Die Polizei belässt es nicht bei brutalen Angriffen auf Demonstrierende, sondern führt ihre Bekämpfung des linken Protests mit Hilfe der Staatsanwaltschaft im Gerichtssaal fort. Verwunderlich ist das nicht, so hat Jörg Radek, Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) unlängst Sympathien für rechtspopulistische Parteien in der Bundespolizei bestätigt. So sprach unter anderem der Bundespolizist Klaus Hochscheid als Redner bei den rechten Demonstrationen des Frauenbündnisses um Marco Kurz. Als weitere Beispiele von klaren Verbindungen zur rechtsradikalen Szene sei hier die Gruppen Uniter und Nordkreuz genannt, in denen sich aktive Polizisten und ehemalige Soldaten auf einen Bürgerkrieg vorbereiten, in dem sie linke Akteurinnen durch Anschläge liquidieren wollen. Oder die Morddrohungen, die PolizistInnen mit der Unterschrift „NSU 2.0“ an eine Opfer-Anwältin im NSU Prozess sendeten.


Um die ohnehin niedrigen Beweishürden zu nehmen, wird sich regelmäßig unter Polizei-Kolleginnen abgesprochen . Dass sich insbesondere Polizeizeuginnen vor Gericht trotz ihrer eigens dafür besorgten Schulung widersprechen, ist bei kaum einer Verurteilung ein Problem und Erinnerungslücken, Lügen und Widersprüche von polizeilichen Belastungszeuginnen werden durch Gerichte bereitwillig hingenommen. Das ist schlussendlich auch das was bundesweit in aller Regelmäßigkeit in Prozessen gegen linke Angeklagte passiert, die Polizei prügelt auf der Straße und rechtfertigt ihre Eskapaden anschließend durch Lügen vor Gericht. Das was ich heute auch von diesem Prozess erwarte.

Wird uns die Gewalt und Diffamierung des Repressionsorgans zukünftig abschrecken? Nein, sicher nicht! Weder ihre Übergriffe, Kriminalisierungen, noch die Lügen, mit denen sie uns vor Gericht zerren werden uns daran hindern, das wir selbstbestimmt und selbstbewusst auf die Straße gehen und für eine Gesellschaft ohne Faschismus und Rassismus eintreten. Wir werden nicht zusehen wie der Staat und übereifrige Staatsanwälte die Rechten weiter füttern, schützen und verteidigen.

Begonnen hat der Angriff auf uns, am Bahnsteig des Wörther Bahnhofs, fortgeführt wird er jetzt vor Gericht. Doch wie in Wörth stehen wir auch hier gemeinsam solidarisch für einander ein. Vielen Dank an dieser Stelle an alle AntifaschistInnen die hier heute mit mir zusammen diesem Angriff entgegen treten.

Auf der Straße und vor Gericht. Niemand bleibt im Regen steh‘n. Gegen Nazis und Repression.



Solidaritätsbekundung aus Freiburg

Sonnige Soli-Grüße vom Sommerfest

Die Antifaschistische Linke Freiburg (IL) sendet ihre Solidarität mit einem wunderbaren Bild von ihrem Sommerfest, sammelte Spenden und macht auf unsere gemeinsame Kampagne „Niemand bleibt im Regen steh’n“ aufmerksam.
„Lasst uns die Einzelnen, welche jetzt mit Strafen überzogen werden, unterstützen, ihre Prozesse besuchen und die Notwendigkeit von selbstorganisiertem Antifaschismus deutlich machen.“
Vielen Dank für eure kreative Eigeninitiative, mehr davon !

Verhandlung wegen „Vermummung“ endet mit klarem Sieg gegen Kreisverwaltung

Nachdem ein Antifaschist im Rahmen von Gegenprotesten einen Bußgeldbescheid wegen Vermummung zugestellt bekommen hatte, legte dieser erfolgreich Widerspruch ein.
Die Tatvorwürfe waren nicht zu halten, sodass selbst die Staatsanwaltschaft eine Einstellung forderte. Die Richterin sorgte mit dem Urteil zugunsten des Antifaschisten für einen Denkzettel an die Kreisverwaltung, welche nach Aussage der Richterin schon mehrfach juristisch unhaltbare Bußgelder auferlegt hätte. Ein klarer Sieg gegen die repressiven Maßnahmen, die hier gegen antifaschistsiche Intervention eingesetzt wurden.

Das Ergebnis aus diesem Prozess hatte neben dem erfreulichen Freispruch für den Antifaschisten auch dazu geführt, dass andere bereits terminierte Verfahren mit ähnlichen Vorwürfen eingestellt wurden.
Daraus folgt für uns: Lasst euch die repressive Maßnahmen nicht gefallen, sondern wehrt euch gegen Willkür und Kriminalisierung von antifaschistischem Protesten. Schließt euch zusammen, beratet euch mit Anti-Repressions Gruppen, eurem politischen Umfeld und findet solidarisch und kollektiv einen Umgang mit der staatlichen Repression.

Nachfolgend der Pressebericht von Kandel gegen Rechts:

Gegen Repression und Kriminalisierung – Demonstrant siegt gegen Kreisverwaltung Germersheim
Am Freitag, 16.08.2019, wurde vor dem Amtsgericht Germersheim der Einspruch des 48jährigen M. gegen einen von der Kreisverwaltung Germersheim erstellten Bußgeldbescheid in deutlich dreistelliger Höhe verhandelt. M., einem Mitglied des Bündnisses KANDEL GEGEN RECHTS, wurde ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1a vorgeworfen. Konkret soll er im September 2018 im Rahmen der Proteste gegen den Aufmarsch des sog. „Frauenbündnisses Kandel“ zusammen mit weiteren Personen „sich mit normalen Bekleidungsgegenständen (Schal, Kapuzen) und Sonnenbrillen)“ vermummt haben und diese angebliche Vermummung auf Aufforderung der Polizei „nur widerwillig“ entfernt haben.

Gegen den Bußgeldbescheid legte M. Einspruch ein, so dass es nun zur Verhandlung kam. Der Verteidiger von M. machte von Anfang an klar, dass es die vorgeworfene Vermummung mittels Kapuze nicht gegeben habe Zudem läge kein Verstoß gegen das Vermummungsverbot vor. Dieser läge nach allgemeiner Rechtsauffassung nur vor, wenn man sich zwecks Verhinderung der Feststellung der Identität vermummen würde. Da sich die Gruppe um M. quasi unmittelbar nach Betreten der Demonstrationsroute des sog. „Frauenbündnisses Kandel“ in einer polizeilichen Maßnahme befunden habe und so eine Identifizierung bereits erfolgt war, wäre diese Vermummungsabsicht nicht gegeben gewesen. Zudem hätte M. sich „mit offenem Visier“, sprich: mit Nennung des Namens, bei den Polizisten und den Vertretern der Versammlungsbehörde vorgestellt, da er versucht hatte, eine Spontanversammlung anzumelden.
Dieser Sichtweise schloss sich der Vertreter der Staatsanwaltschaft an. Er bezeichnete eine Vermummung mit dem ausschließlichen Ziel, nicht von Mitgliedern des Aufmarsches des sog. „Frauenbündnisses Kandel“ erkannt und fotografiert zu werden, sogar als legitim, zumal Bilder der Gegendemonstranten bereits auf einschlägigen Websites im Umfeld des sog. „Frauenbündnisses Kandel“ publiziert worden seien. So forderten der Verteidiger von M. und der Vertreter der Staatsanwaltschaft einhellig eine Einstellung des Verfahrens (analog zu einem gleichgelagerten Fall, der bereits im Juni vor dem Amtsgericht Kandel eingestellt worden war).
Die Richterin ging sogar noch einen Schritt weiter und stellte das Verfahren nicht ein, sondern fällte ein Urteil zu Gunsten von M., in dem diesem bescheinigt wurde, nicht gegen das Versammlungsrecht verstoßen zu haben, so daß der Bußgeldbescheid der Kreisverwaltung Germersheim nicht rechtmäßig war. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.
Bemerkenswert waren einige Aussagen sowohl des Vertreters der Staatsanwaltschaft als auch der Richterin. So stutzte der Vertreter der Staatsanwaltschaft bei der Verlesung des Tatvorwurfs, denn dort war vom „bürgerlich-rechten Aufzug“ die Rede. Hier vertrat er die eindeutige Sichtweise, dass das sog. „Frauenbündnis Kandel, sicher nicht bürgerlich, sondern klar rechts sei.
Die Richterin wiederum begründete ihr Urteil (bzw. die nicht erfolgte Einstellung des Verfahrens) u.a. damit, dass sie ein Zeichen an die Kreisverwaltung Germersheim senden wolle. Sie habe schon mehrere Bußgeldbescheide im Zusammenhang mit den Gegendemonstrationen gegen die rechten Aufmärsche in Kandel gesehen und keiner davon sei rechtlich haltbar gewesen. Zudem merkte sie an, dass, wenn man Sonnenbrillen oder Schals schon als Vermummungsgegenstände ansehen würde, sie sich selbst regelmäßig strafbar machen würde, da sie Beides häufig mit sich führen würde.
M. sagte nach dem Urteil, dass er darin ein klares Signal gegen die von Polizei und Kreisverwaltung immer wieder versuchte Kriminalisierung des Protests gegen die rechtsextremen Aufmärsche in Kandel und Umgebung sähe. Mit dem Urteil wurde seiner Meinung nach klar gestellt, dass die zuständigen Behörden willkürlich und rechtlich unzulässig gehandelt hätten

Bericht: Solidarische Prozessbegleitung am 12. Juli 2019 in Landau

Kundgebung vor‘m Gerichtsgebäude

Am Morgen des 12. Juli 2019 folgten um die 30 AntifaschistInnen dem Aufruf der Solidaritätskampagne „Niemand bleibt im Regen steh‘n!“ zur solidarischen Prozessbegleitung am Amtsgericht Landau (Jugendschöffengericht). Angeklagt war ein junger Antifaschist, dem vorgeworfen wurde sich an den kämpferischen antifaschistischen Protesten am 24. März 2018 in Kandel gegen den dort stattfindenden Naziaufmarsch beteiligt und dort einen Böller geworfen zu haben.

Beim anschließenden Betreten des Gerichtsgebäudes mussten sich alle BesucherInnen aufwändigen und anlasslosen Kontrollen und Durchsuchungen (Ausweiskontrolle, Abtasten, Metalldetektor, Durchleuchten aller persönlichen Gegenstände,…) unterziehen. Getränke, Medikamente, Handys und andere elektronische Geräte mussten abgegeben werden. An der Tür zum Gerichtssaal sollte sich diese Prozedur wiederholen. Dies stellt nicht nur eine Schikane der solidarischen BesucherInnen dar, es macht auch die Vorverurteilung des Angeklagten deutlich, denn anscheinend sind in den Augen des Gerichts alle Linken gefährlich. Wieso sonst hätte der Richter diese Maßnahmen anordnen sollen? Nach immerhin einer dreiviertel Stunde war dann auch der letzte Platz des zu kleinen Saals gefüllt, wobei der Zugang der Öffentlichkeit bei der Verhandlung auch dadurch weiter eingeschränkt wurde, dass einige der sowieso schon zu wenigen Sitzplätze von Bullen belegt waren.

Politische Erklärung des Angeklagten vor Gericht

Bei einer kleinen Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude stimmten Redebeiträge vom Offenen Antifaschistischen Treffen (OAT) Landau und der Kampagne „Niemand bleibt im Regen steh‘n!“ auf die bevor stehende Verhandlung ein. Die RednerInnen betonten die Notwendigkeit von selbstbestimmtem und konsequentem antifaschistischen Widerstand und berichteten von den Protesten in Kandel am 24. März 2019.

Zu Beginn der Verhandlung verlas die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift. Vorgeworfen wurden dem Antifaschisten wegen des Böllerwurfs besonders schwerer Fall des Landfriedensbruch, versuchte gefährliche Körperverletzung, Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz und wegen der Vermummung Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Bei seiner Verhaftung soll er sich dazu noch gewehrt haben was die weiteren Anklagepunkte Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung zeigten.

Der Angeklagte machte Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen und gab eine politische Erklärung ab, in der er unter anderem auf die Verstrickungen zwischen organisierten FaschistInnen und staatlichen „Sicherheitsorganen“, sowie der Gefahr durch rechten Terror einging. Das Publikum unterstützte die Aussagen des Angeklagten mit kräftigem Applaus.

Ganze sieben Bullen-Zeugen (die meisten davon vom BFE Bruchsal) wurden vor Gericht vernommen, um den Antifaschisten zu belasten. Diese hatten sich sowohl im Vorfeld, als auch vor dem Gerichtssaal ausgiebig abgesprochen, was sich daran zeigte, dass sie teilweise schon wussten was der nächste Kollege aussagen wird. Zum Sachverhalt konnten sie jedoch im Wesentlichen nichts weiteres beitragen, als was auch auf dem Polizeivideo zu sehen war: Ein vermummte Person, die etwas Rauchendes wirft und kurz danach brutal festgenommen wird.

Der Oberstaatsanwalt sprach in seinem Plädoyer offen aus, was wir schon lange wissen: Es sollte, um andere abzuschrecken, ein Exempel an dem jungen Genossen statuiert werden. Daher forderte er eine Haftstrafe von einem Jahr und 4 Monaten ohne Bewährung.

Verurteilt wurde der Antifaschist letzten Endes wegen Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz zu einer Geldstrafe von 4500 € (180 Tagessätzen). Der Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz konnte nicht nachgewiesen werden, da unklar war um welche Art von Böller es sich gehandelt haben soll. Ebenso war die versuchte gefährliche Körperverletzung durch den Böllerwurf nicht haltbar, da nicht gezielt auf eine Person geworfen wurde. Der Richter ließ es sich übrigens auch bei diesem Verfahren nicht nehmen bei der Urteilsbegründung die Unruhen in Hamburg während des G20-Gipfels 2017 ins Feld zu führen. Was Hamburg mit Kandel zu tun haben soll, bleibt dabei wohl sein Geheimnis, aber es zeigt doch klar auf welches Bild die Justiz von Linken hat.

Selbstbestimmte Momente im fremdbestimmten Rahmen

Am Ende der Verhandlung wurde im Gerichtssaal ein Transparent aufgespannt, dass trotz der starken Kontrollen seinen Weg in den Zuschauerraum gefunden hatte, und Parolen gerufen. Im Anschluss daran haben sich die Antifas noch einmal selbstbestimmt die Straße genommen und zogen zusammen lautstark als kleine Demo zum Bahnhof. Mit Flyern und Parolen konnten die PassantInnen sowohl auf die rechten Umtriebe in der Region, als auch auf die Repression gegen Linke aufmerksam gemacht werden.

Bei Gerichtsverhandlungen sind nicht nur Ort und Zeit, sondern auch der komplette Ablauf als ein festes Ritual von Anklage, Beweisaufnahme, Plädoyers und Urteilsspruch von den Herrschenden bestimmt. Wenn wir es schaffen wollen den Spieß umzudrehen und aus den Angriffen auf uns politischen Nutzen und Stärke zu ziehen, dann müssen wir es auch schaffen diesen fremdbestimmten Rahmen zu durchbrechen und den Charakter der Veranstaltung selbst (mit)zubestimmen. Das kollektive Sitzenbleiben, Beifall- und Unmutsbekundungen aus dem Zuschauerraum, genauso wie politische Aktionen in und um den Gerichtssaal sind ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung, um das Ruder in die Hand zu nehmen und selbst den Kurs zu bestimmen. Dass die Angriffe auf uns durch Polizei und Justiz durchaus politischer Natur sind, hat der Prozess in aller Deutlichkeit gezeigt. Sie als das zu begreifen und in der Konsequenz auch vor Gericht Haltung zu bewahren ist dabei nicht nur für den Angeklagten ein Moment der Stärke. Den politischen Kampf auch vor Gericht fortzuführen ist genauso richtig, wie es der Widerstand gegen die Nazis auf der Straße ist.

Unterstützt die angeklagten AntifaschistInnen!
Beteiligt euch an dar Kampagne!

Prozesserklärung des angeklagten Antifaschisten vom 12. Juli am Amtsgericht Landau

Ich bin hier heute angeklagt, weil ich mich an den kämpferischen, antifaschistischen Protesten in Kandel am 24. März 2018 beteiligt habe. Bis zu 2000 Rechte von AfD‘lern bis hin zu offenen Faschisten zogen an diesem Tag durch Kandel. Doch bevor ich auf den Tag selbst eingehen werde, werde ich zunächst etwas ausholen.

Seit einigen Jahren erleben wir in Deutschland und auch in ganz Europa einen gesellschaftlichen Rechtsruck. Neue und alte Rechte bekommen Aufwind und versuchen immer mehr sich breit zu machen. Die AfD zieht mit zweistelligen Ergebnissen in beinahe alle Parlamente ein und wird mit jeder Spaltung noch ein bisschen rechter. Auf den Straßen organisieren sich faschistische Gruppen „Die Rechte“, „III Weg“ oder auch die „Identitäre Bewegung“ und versuchen den öffentlichen Raum für sich einzunehmen. Auch die bürgerlichen Parteien tragen das ihre zum Rechtsruck bei und liefern die geforderten Verschärfungen – zum Beispiel in der Asylfrage oder in Form verschärfter Polizeigesetze in den Bundesländern. Es würde den Rahmen sprengen, hier tiefer auf die Hintergründe dieser Entwicklungen einzugehen, dennoch ist es wichtig eines zu erwähnen: Es ist nicht so, dass immer mehr Menschen sich aus reiner Experimentierfreudigkeit oder der überzeugenden Argumente wegen den Rechten anschließen – vielmehr zeigt sich aktuell zum wiederholten Mal, wie wirtschaftliche Krisenzeiten im Kapitalismus ihre eigenen autoritären, rückschrittlichen und chauvinistischen Antworten erzeugen. Diese Antworten, in Form von politischen Bewegungen und ihre gut situierten Unterstützerkreisen, sind vor allem zweierlei: staatstragend und systemerhaltend.

Wohin eine von Faschisten und Rechten getragene Dynamik führen kann, wenn sie nicht von Anfang an konsequent bekämpft wird, hat sich in Chemnitz gezeigt. Am 26. August 2018 gab es in Chemnitz progromartige Ausschreitungen. Ausgehend von einem Mord an einem 35 jährigen Mann auf einem Stadtfest, mobilisieren AfD und Nazihools zu Kundgebungen und Demonstrationen. Worin diese Demonstrationen endeten, dürfte wohl jedem hier bekannt sein. Es kam zu Hetzjagden auf Geflüchtete und nicht-weiße Menschen. In den folgenden Tagen mobilisierten die Rechten und Faschisten zu weiteren Demonstrationen, immer begleitet von Gewalt gegen Geflüchtete, JournalistInnen oder Linke.

Eine solche Dynamik sollte sich, wenn es nach den Rechten gegangen wäre, auch in Kandel entfalten. Und die Gefahr war real! Angeführt von der AfD Landtagsabgeordneten Christina Baum zogen mehrere tausend Rechte – von NPD und Identitären, über Nazihools und Reichsbürger bis hin zu AfD durch Kandel. Die Rechten sahen sich in einer Position der Stärke, Kandel sollte an die rassistischen Mobilisierungen in Bautzen und in Heidenau anknüpfen und auch im Westen ein Zeichen der Stärke setzen. Aus ganz Baden-Württemberg sind die Faschisten und andere Rechte nach Kandel gereist, die AfD hatte sogar eigens Busse organisiert um ihre Anhängerschaft zu mobilisieren. Wohin dieses Gefühl der Stärke führt zeigte sich prompt. Bei den ersten Demonstrationen kam es zu Angriffen auf den zahlenmäßigen schwach aufgestellten Gegenprotest.

Die Demos in Kandel haben wieder einmal gezeigt, dass es keinen Grund gibt, sich im Kampf gegen Rechte und Faschisten auf den Staat und seine Institutionen zu verlassen. Es gibt weder den politischen Willen faschistische Strukturen zu zerschlagen, noch wäre dies überhaupt von einer Polizei zu erwarten, die nicht zufällig Rekrutierungsort für diverse rechte Netzwerke ist. Eine bewaffnete staatliche Einrichtung, in der Gewaltausübung und Einschüchterungen gegen fortschrittliche Bewegungen regelmäßige Praxis sind, in der Korpsgeist und Befehlsketten das kollektive Handeln bestimmen, ist nun einmal ein fruchtbarer Schoß für den braunen Sumpf. Nordkreuz, Hannibal, NSU 2.0 – Schlagworte für das Zusammenspiel von sogenannten „Sicherheitsorganen“ und Rechtsterrorismus. Und das sind nur die zufällig bekannt gewordenen Beispiele aus jüngerer Vergangenheit.

Zurück nach Kandel: Wenn der Polizeiapparat auf hochgefährliche rechte Mobilisierungen mit militärisch organisiertem Schutz und der Abschottung der notwendigen Proteste antwortet, dann ist es richtig, diese Übermacht zu durchbrechen – wenn auch nur punktuell und für kurze Momente. Das Ziel ist eine starke gesellschaftliche Front, die die Rechten selbstbestimmt zurückdrängt. Jeder Ansatz, der die Ohnmacht durchbricht und aufzeigt, dass wir nicht dazu verdammt sind, politischen Rechtstrends und staatlicher Übermacht tatenlos zu begegnen, ist ein legitimer Beitrag dazu. Das gesellschaftliche Problem ist nicht Gewalt gegen Rechts, sondern rechte Gewalt! Während hier über einen Böller diskutiert wird, hallt der tödliche Schuss auf Walter Lübcke noch nach.

In diesem Prozess werde ich als Teil der antifaschistischen Bewegungen auf die Anklagebank gezwungen. Doch eigentlich sind es ganz andere, die zur Verantwortung gezogen werden sollten – für die Aufhetzung der Bevölkerung gegen Minderheiten und sozial Schwache, für das Schüren von Ängsten und Unsicherheiten in den weniger privilegierten Teilen der Bevölkerung, um zu spalten und die eigentlichen sozialen Probleme zu verschleiern.

Den Kampf gegen Rechts begreife ich als einen Teil der Bemühungen um eine solidarische Welt, eine Welt in der der Großteil der Menschen nicht mehr in die Abhängigkeit von wenigen Besitzenden, in die Zwänge von Profit- und Verwertungslogik gepresst werden. Egal was in diesem Prozess heute auch entschieden wird – diese Bemühungen sind mehr wert als jedes Amtsgerichts-Urteil und vor allem sind Sie es wert, mit einem optimistischen Blick in die Zukunft weiter zu machen!