Nachdem ein Antifaschist im Rahmen von Gegenprotesten einen Bußgeldbescheid wegen Vermummung zugestellt bekommen hatte, legte dieser erfolgreich Widerspruch ein.
Die Tatvorwürfe waren nicht zu halten, sodass selbst die Staatsanwaltschaft eine Einstellung forderte. Die Richterin sorgte mit dem Urteil zugunsten des Antifaschisten für einen Denkzettel an die Kreisverwaltung, welche nach Aussage der Richterin schon mehrfach juristisch unhaltbare Bußgelder auferlegt hätte. Ein klarer Sieg gegen die repressiven Maßnahmen, die hier gegen antifaschistsiche Intervention eingesetzt wurden.
Das Ergebnis aus diesem Prozess hatte neben dem erfreulichen Freispruch für den Antifaschisten auch dazu geführt, dass andere bereits terminierte Verfahren mit ähnlichen Vorwürfen eingestellt wurden.
Daraus folgt für uns: Lasst euch die repressive Maßnahmen nicht gefallen, sondern wehrt euch gegen Willkür und Kriminalisierung von antifaschistischem Protesten. Schließt euch zusammen, beratet euch mit Anti-Repressions Gruppen, eurem politischen Umfeld und findet solidarisch und kollektiv einen Umgang mit der staatlichen Repression.
Nachfolgend der Pressebericht von Kandel gegen Rechts:
Gegen Repression und Kriminalisierung – Demonstrant siegt gegen Kreisverwaltung Germersheim
Am Freitag, 16.08.2019, wurde vor dem Amtsgericht Germersheim der Einspruch des 48jährigen M. gegen einen von der Kreisverwaltung Germersheim erstellten Bußgeldbescheid in deutlich dreistelliger Höhe verhandelt. M., einem Mitglied des Bündnisses KANDEL GEGEN RECHTS, wurde ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1a vorgeworfen. Konkret soll er im September 2018 im Rahmen der Proteste gegen den Aufmarsch des sog. „Frauenbündnisses Kandel“ zusammen mit weiteren Personen „sich mit normalen Bekleidungsgegenständen (Schal, Kapuzen) und Sonnenbrillen)“ vermummt haben und diese angebliche Vermummung auf Aufforderung der Polizei „nur widerwillig“ entfernt haben.
Gegen den Bußgeldbescheid legte M. Einspruch ein, so dass es nun zur Verhandlung kam. Der Verteidiger von M. machte von Anfang an klar, dass es die vorgeworfene Vermummung mittels Kapuze nicht gegeben habe Zudem läge kein Verstoß gegen das Vermummungsverbot vor. Dieser läge nach allgemeiner Rechtsauffassung nur vor, wenn man sich zwecks Verhinderung der Feststellung der Identität vermummen würde. Da sich die Gruppe um M. quasi unmittelbar nach Betreten der Demonstrationsroute des sog. „Frauenbündnisses Kandel“ in einer polizeilichen Maßnahme befunden habe und so eine Identifizierung bereits erfolgt war, wäre diese Vermummungsabsicht nicht gegeben gewesen. Zudem hätte M. sich „mit offenem Visier“, sprich: mit Nennung des Namens, bei den Polizisten und den Vertretern der Versammlungsbehörde vorgestellt, da er versucht hatte, eine Spontanversammlung anzumelden.
Dieser Sichtweise schloss sich der Vertreter der Staatsanwaltschaft an. Er bezeichnete eine Vermummung mit dem ausschließlichen Ziel, nicht von Mitgliedern des Aufmarsches des sog. „Frauenbündnisses Kandel“ erkannt und fotografiert zu werden, sogar als legitim, zumal Bilder der Gegendemonstranten bereits auf einschlägigen Websites im Umfeld des sog. „Frauenbündnisses Kandel“ publiziert worden seien. So forderten der Verteidiger von M. und der Vertreter der Staatsanwaltschaft einhellig eine Einstellung des Verfahrens (analog zu einem gleichgelagerten Fall, der bereits im Juni vor dem Amtsgericht Kandel eingestellt worden war).
Die Richterin ging sogar noch einen Schritt weiter und stellte das Verfahren nicht ein, sondern fällte ein Urteil zu Gunsten von M., in dem diesem bescheinigt wurde, nicht gegen das Versammlungsrecht verstoßen zu haben, so daß der Bußgeldbescheid der Kreisverwaltung Germersheim nicht rechtmäßig war. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.
Bemerkenswert waren einige Aussagen sowohl des Vertreters der Staatsanwaltschaft als auch der Richterin. So stutzte der Vertreter der Staatsanwaltschaft bei der Verlesung des Tatvorwurfs, denn dort war vom „bürgerlich-rechten Aufzug“ die Rede. Hier vertrat er die eindeutige Sichtweise, dass das sog. „Frauenbündnis Kandel, sicher nicht bürgerlich, sondern klar rechts sei.
Die Richterin wiederum begründete ihr Urteil (bzw. die nicht erfolgte Einstellung des Verfahrens) u.a. damit, dass sie ein Zeichen an die Kreisverwaltung Germersheim senden wolle. Sie habe schon mehrere Bußgeldbescheide im Zusammenhang mit den Gegendemonstrationen gegen die rechten Aufmärsche in Kandel gesehen und keiner davon sei rechtlich haltbar gewesen. Zudem merkte sie an, dass, wenn man Sonnenbrillen oder Schals schon als Vermummungsgegenstände ansehen würde, sie sich selbst regelmäßig strafbar machen würde, da sie Beides häufig mit sich führen würde.
M. sagte nach dem Urteil, dass er darin ein klares Signal gegen die von Polizei und Kreisverwaltung immer wieder versuchte Kriminalisierung des Protests gegen die rechtsextremen Aufmärsche in Kandel und Umgebung sähe. Mit dem Urteil wurde seiner Meinung nach klar gestellt, dass die zuständigen Behörden willkürlich und rechtlich unzulässig gehandelt hätten