Bericht: Solidarische Prozessbegleitung am 12. Juli 2019 in Landau

Kundgebung vor‘m Gerichtsgebäude

Am Morgen des 12. Juli 2019 folgten um die 30 AntifaschistInnen dem Aufruf der Solidaritätskampagne „Niemand bleibt im Regen steh‘n!“ zur solidarischen Prozessbegleitung am Amtsgericht Landau (Jugendschöffengericht). Angeklagt war ein junger Antifaschist, dem vorgeworfen wurde sich an den kämpferischen antifaschistischen Protesten am 24. März 2018 in Kandel gegen den dort stattfindenden Naziaufmarsch beteiligt und dort einen Böller geworfen zu haben.

Beim anschließenden Betreten des Gerichtsgebäudes mussten sich alle BesucherInnen aufwändigen und anlasslosen Kontrollen und Durchsuchungen (Ausweiskontrolle, Abtasten, Metalldetektor, Durchleuchten aller persönlichen Gegenstände,…) unterziehen. Getränke, Medikamente, Handys und andere elektronische Geräte mussten abgegeben werden. An der Tür zum Gerichtssaal sollte sich diese Prozedur wiederholen. Dies stellt nicht nur eine Schikane der solidarischen BesucherInnen dar, es macht auch die Vorverurteilung des Angeklagten deutlich, denn anscheinend sind in den Augen des Gerichts alle Linken gefährlich. Wieso sonst hätte der Richter diese Maßnahmen anordnen sollen? Nach immerhin einer dreiviertel Stunde war dann auch der letzte Platz des zu kleinen Saals gefüllt, wobei der Zugang der Öffentlichkeit bei der Verhandlung auch dadurch weiter eingeschränkt wurde, dass einige der sowieso schon zu wenigen Sitzplätze von Bullen belegt waren.

Politische Erklärung des Angeklagten vor Gericht

Bei einer kleinen Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude stimmten Redebeiträge vom Offenen Antifaschistischen Treffen (OAT) Landau und der Kampagne „Niemand bleibt im Regen steh‘n!“ auf die bevor stehende Verhandlung ein. Die RednerInnen betonten die Notwendigkeit von selbstbestimmtem und konsequentem antifaschistischen Widerstand und berichteten von den Protesten in Kandel am 24. März 2019.

Zu Beginn der Verhandlung verlas die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift. Vorgeworfen wurden dem Antifaschisten wegen des Böllerwurfs besonders schwerer Fall des Landfriedensbruch, versuchte gefährliche Körperverletzung, Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz und wegen der Vermummung Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Bei seiner Verhaftung soll er sich dazu noch gewehrt haben was die weiteren Anklagepunkte Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung zeigten.

Der Angeklagte machte Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen und gab eine politische Erklärung ab, in der er unter anderem auf die Verstrickungen zwischen organisierten FaschistInnen und staatlichen „Sicherheitsorganen“, sowie der Gefahr durch rechten Terror einging. Das Publikum unterstützte die Aussagen des Angeklagten mit kräftigem Applaus.

Ganze sieben Bullen-Zeugen (die meisten davon vom BFE Bruchsal) wurden vor Gericht vernommen, um den Antifaschisten zu belasten. Diese hatten sich sowohl im Vorfeld, als auch vor dem Gerichtssaal ausgiebig abgesprochen, was sich daran zeigte, dass sie teilweise schon wussten was der nächste Kollege aussagen wird. Zum Sachverhalt konnten sie jedoch im Wesentlichen nichts weiteres beitragen, als was auch auf dem Polizeivideo zu sehen war: Ein vermummte Person, die etwas Rauchendes wirft und kurz danach brutal festgenommen wird.

Der Oberstaatsanwalt sprach in seinem Plädoyer offen aus, was wir schon lange wissen: Es sollte, um andere abzuschrecken, ein Exempel an dem jungen Genossen statuiert werden. Daher forderte er eine Haftstrafe von einem Jahr und 4 Monaten ohne Bewährung.

Verurteilt wurde der Antifaschist letzten Endes wegen Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz zu einer Geldstrafe von 4500 € (180 Tagessätzen). Der Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz konnte nicht nachgewiesen werden, da unklar war um welche Art von Böller es sich gehandelt haben soll. Ebenso war die versuchte gefährliche Körperverletzung durch den Böllerwurf nicht haltbar, da nicht gezielt auf eine Person geworfen wurde. Der Richter ließ es sich übrigens auch bei diesem Verfahren nicht nehmen bei der Urteilsbegründung die Unruhen in Hamburg während des G20-Gipfels 2017 ins Feld zu führen. Was Hamburg mit Kandel zu tun haben soll, bleibt dabei wohl sein Geheimnis, aber es zeigt doch klar auf welches Bild die Justiz von Linken hat.

Selbstbestimmte Momente im fremdbestimmten Rahmen

Am Ende der Verhandlung wurde im Gerichtssaal ein Transparent aufgespannt, dass trotz der starken Kontrollen seinen Weg in den Zuschauerraum gefunden hatte, und Parolen gerufen. Im Anschluss daran haben sich die Antifas noch einmal selbstbestimmt die Straße genommen und zogen zusammen lautstark als kleine Demo zum Bahnhof. Mit Flyern und Parolen konnten die PassantInnen sowohl auf die rechten Umtriebe in der Region, als auch auf die Repression gegen Linke aufmerksam gemacht werden.

Bei Gerichtsverhandlungen sind nicht nur Ort und Zeit, sondern auch der komplette Ablauf als ein festes Ritual von Anklage, Beweisaufnahme, Plädoyers und Urteilsspruch von den Herrschenden bestimmt. Wenn wir es schaffen wollen den Spieß umzudrehen und aus den Angriffen auf uns politischen Nutzen und Stärke zu ziehen, dann müssen wir es auch schaffen diesen fremdbestimmten Rahmen zu durchbrechen und den Charakter der Veranstaltung selbst (mit)zubestimmen. Das kollektive Sitzenbleiben, Beifall- und Unmutsbekundungen aus dem Zuschauerraum, genauso wie politische Aktionen in und um den Gerichtssaal sind ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung, um das Ruder in die Hand zu nehmen und selbst den Kurs zu bestimmen. Dass die Angriffe auf uns durch Polizei und Justiz durchaus politischer Natur sind, hat der Prozess in aller Deutlichkeit gezeigt. Sie als das zu begreifen und in der Konsequenz auch vor Gericht Haltung zu bewahren ist dabei nicht nur für den Angeklagten ein Moment der Stärke. Den politischen Kampf auch vor Gericht fortzuführen ist genauso richtig, wie es der Widerstand gegen die Nazis auf der Straße ist.

Unterstützt die angeklagten AntifaschistInnen!
Beteiligt euch an dar Kampagne!

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